"Was wir brauchen, sind keine militärisch organisierten Camps und Drill, sondern eingebettet in kleine und überschaubare Lebensräume individuelle Lösungsansätze für individuelle Problemlagen. Das erfordert von allen an diesem Prozess beteiligten Personen Mut und den außerordentlichen Willen, auch in schwierigsten Situationen zueinander zu stehen" (Werner Heermann - Nawa Geschäftsführer).
1. Die Einrichtung
Nawa ist ein anerkannter privater Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit Sitz in Minden/ Westfalen, der sich der Förderung von Kindern und Jugendlichen nach Maßgaben des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (§§ 27 ff SGB VIII) zum Ziel gesetzt hat.
Zu diesem Zweck bietet die Gesellschaft stationäre und ambulante Kinder-, Jugend- und Familienhilfeleistungen für den Raum Minden/ Westfalen und die umliegenden politischen Kreise an. Überregionale Kooperationen sind dadurch nicht ausgeschlossen. Stationäre Jugendhilfe wird im familienanalogen Setting (Päd. Betreuungsstellen oder Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften) angeboten. Auch Einzelbetreuungsplätze sind möglich. Die Leistungsbeschreibung, die interessierten Jugendämtern auf Wunsch zugestellt wird, bezieht sich auf das Angebot von Intensivbetreuungsplätzen mit einer Betreuungsdichte von 1:1,6 auf der gesetzlichen Grundlage der §§ 27 ff SGB VIII. Diese Intensivangebote werden derzeit in Form einer Päd. Betreuungsstelle mit 4 Plätzen in Minden/ Westfalen vorgehalten. Der Ausbau der stationären Platzzahl ist konzeptionell vorgesehen.
Gleichzeitig verfolgt die Nawa GmbH als Ziel die Förderung der Traumapädagogik und des traumapädagogischen Ansatzes in der Heimerziehung durch unterschiedliche eigene Aktivitäten und Teilnahmen (Fortbildungen, Vorträge, Tagungen, Kongresse o. ä.).
Hauptgesellschafter, Geschäftsführer und pädagogischer Leiter von Nawa ist Werner Heermann (Dipl. Sozialpädagoge, Erzieher, Traumaspezifischer Fachberater, Kaufmann).
2. Der traumapädagogische Ansatz oder das Lernen, mit seinen Erinnerungen zu leben
Nawa ist ein Wort aus der kurdischen Sprache und bedeutet Ort der Geborgenheit. Vor dem Hintergrund der Aussage "Liebe allein genügt nicht", des Psychoanalytikers und Kinderpsychologen Bruno Bettelheim (1903-1990), stellen wir fest, dass Liebe -sprich, die Zuneigung und Wertschätzung zu einem Menschen- die tragende Säule, im pädagogischen-therapeutischen Dreieck von, Erfahren von Stabilität und Sicherheit, Aufbau eines sekundär sicheren Bindungsmusters, Selbstwirksamkeit/ Perspektivplanung, entwickelt Nawa lösungsorientierte pädagogische Ansätze zur Förderung junger Menschen.
Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung sind oft mehrfach traumatisierte Seelen, die infolge ihrer schrecklichen Lebensereignisse Verhaltens- und/ oder Lebensformen entwickelt haben, die sie selbst, ihre Entwicklung und ihre unmittelbare Umwelt schwer belasten. Dies äußert sich in den vielfältigsten Verhaltensauffälligkeiten.
Das Erkennen von Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung, sowie beginnender Persönlichkeitsentwicklungsstörungen ist ein wesentlicher Arbeitsauftrag, dem sich Nawa stellt. Den Blick auf entsprechende, therapeutisch begleitende oder nötigenfalls auch ersetzende Hilfeangebote zu haben und diese ggf. zu in die Wege zu leiten, ist in diesem Zusammenhang interdisziplinäres Gebot.
Im Zentrum aller Bemühungen aber steht das Vorhalten kleiner, stabiler Lebensgemeinschaften in denen das pädagogisch-therapeutische Dreieck gelebt und unter fachlich-professioneller Partnerschaft eine ressourcenorientierte Lebensplanung entwickelt werden kann. Nawa garantiert eine enge, fachlich fundierte und fallverantwortliche Begleitung der von ihr betriebenen pädagogischen Betreuungsstellen oder Lebensgemeinschaften durch die Geschäftsleitung oder durch von ihr beauftragtes Fachpersonal.
3. Der bindungstheoretische Ansatz
Die moderne Bindungsforschung beschäftigt sich mit frühen Beziehungserfahrungen von Kindern und den Auswirkungen auf deren Persönlichkeitsentwicklung. Die Qualität dieser Erfahrungen prägen die spätere Beziehungsfähigkeit bis hinein ins Erwachsenenalter. Der Wunsch nach einer dauerhaften, sicheren, liebevollen und tragfähigen Beziehung wird oft zum lebenslangen Problem mit allen möglichen Facetten einer geschädigten Seele. Durch ein kontinuierliches, von gegenseitiger Wertschätzung getragenes Beziehungsangebot, treten wir den Auswirkungen dieser Erfahrungen entgegen und entwickeln so die Kinder und Jugendlichen in ihrer Beziehungsfähigkeit.
4. Hermeneutisches Fallverstehen- und Handeln
Der Verlauf von pädagogischen Hilfeangeboten ist zentral abhängig von der objektiv richtigen Beurteilung der ursprünglichen individuellen Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien. Nur vor dem Hintergrund des Verstehens ihrer Lebensgeschichte und dem Erkennen individueller Ressourcen ist zielorientiertes und konzeptionelles sozialpädagogisches Handeln möglich.
5. Trauma im pädagogischen Kontext
5.1 Das Trauma
In der Psychotraumatologie beschreibt der Begriff Trauma (griechisch = Verletzung, Wunde) eine seelische Verletzung, die hervorgerufen wird durch ein von außen auf den Menschen einwirkende Ereignisse, die sie in ihrer psychischen Stabilität schwer erschüttern.
Dieses können sowohl plötzlich auftretende Situationen wie Unglücksfälle, Naturkatastrophen oder der Verlust nahestehender Menschen, als auch langanhaltende Ereignisse, die ebenfalls ein andauerndes und völliges Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit auslösen (z.B. körperliche und sexuelle Gewalt, Kriegshandlungen, Folter).
Dabei ist es erst einmal unerheblich, ob das Trauma selbst erlebt oder miterlebt wird. Auch ein beobachtetes und miterlebtes Ereignis kann schwer traumatisieren.
Traumaerleben ist ein Zustand höchster Wachsamkeit und Alarmbreitschaft bei gleichzeitiger äußerster emotionaler Sensibilität, aber absoluter Handlungsunfähigkeit. Der Betroffene besitzt keine Handlungsreserven- oder Alternativen. Kapazitäten zur Bewältigung der Situation sind nicht vorhanden.
Der Ablauf psychischer Prozesse wie Wahrnehmen, Denken , Fühlen und Erinnern laufen bei einem traumatischen Erlebnis nicht mehr wie gewohnt ab, sondern ausgelöst durch die entstandene Stresssituation manifestieren sich diese in Form von seelischen Verletzungen, die den Betroffenen unter Umständen ein Leben lang begleiten.
Sichtbar werden diese seelischen Verletzungen häufig in Form von Flashbacks (Erinnerungen), die unvermittelt und oft durch einen nicht erkennbaren Auslöser (Trigger) zutage treten. Dabei befindet sich der Betroffene in der selben emotionalen Situation, wie beim ursprünglichen Erleben des Traumas.
Zu beachten ist, dass die Traumaforschung zwei Kategorien unterscheidet:
- das plötzlich und unerwartet auftretende traumatische Ereignis (z.B. Unfall, Verlust durch Tod),
- eine lang anhaltende und/oder immer wiederkehrende Situation der völligen Ohnmacht und Hilflosigkeit, wie sie z.B. oft bei Opfern von Missbrauch vorliegt.
Als Folge schwerer Traumatisierungen können nachfolgende Störungsbilder – einzeln oder in Kombination mit anderen – u.a. auftreten.
Albträume - Bindungsstörungen, bis hin zur Unfähigkeit Bindungen einzugehen – Drogenkonsum und anderes Suchtverhalten – Depressionen – Dissoziation – Gefühlsabstumpfung / Taubheit – Hyperarousal (Übererregbarkeit) – Hyperaktivität – Psychosomatische Störungen (z.B. Magersucht, Allergien) – Persönlichkeitsstörungen (z.B. Borderline, multiple PS) – selbstverletzendes und/oder suizidales Verhalten – unangepasstes Sexualverhalten – Vermeidungsverhalten – Zwangshandlungen
Treten diese oder andere Phänomene gehäuft und über einen längeren Zeitraum in Erscheinung, spricht man von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Grundsätzlich gilt:
Zwei Personen verarbeiten ein gleiches traumatisches Erlebnis bedingt durch Alter, Erfahrungen, Persönlichkeitsstruktur usw. möglicherweise völlig unterschiedlich.
Und ... je jünger die betroffenen Personen sind, um so weniger verfügen sie über psychische Schutzmechanismen.
Klassifikation durch den ICD 10 der Weltgesundheitsorganisation WHO
F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung
Info.: Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über. Quelle: www.icd-code.de
5.2 Pädagogische Ausgangsposition, Diagnostik und Handlungsmöglichkeiten
Am Anfang stehen Anamnese und Diagnostik. Es gilt schon in den Gesprächen vor einer Aufnahme möglichst viel aus dem Leben des Kindes Erfahrung zu bringen (Hermeneutischer Ansatz) und zu werten. Dazu zählen auch Unterlagen der beteiligten Jugendämter, insbesondere auch Aufzeichnungen die Familiengeschichte betreffend.
Unseren Pädagogen stehen interne Anamnese- und Diagnostikinstrumente zur Verfügung.
Im traumapädagogischen Ansatz unserer Arbeit orientieren wir uns an folgenden Phasen:
- Phase der Orientierung (Erleben von Stabilität und Sicherheit) und Anpassung,
- Phase eines sekundären Bindungsaufbaus (auch Übertragungsphase genannt. Hohes Risiko für Retraumatisierungen),
- Phase der Neuorientierung (verbunden mit Regressionen bis hin zur „seelischen Wiedergeburt“ und Integration in das neue Lebensfeld).
Sicherheit geben heißt Transparenz schaffen:
- alle Fragen zulassen,
- bei Fragen eindeutig Stellung beziehen,
- keine Antwort schuldig bleiben,
- alle Abläufe durchschaubar und machen,
- absolute Zuverlässigkeit bei Zusagen und Versprechen,
- klare, nachvollziehbare Regeln,
- sich selbst als Person öffnen und anbieten,
- nicht eindeutige Situationen auflösen,
- nach Triggern (Auslösern) traumatischer Reinszenierungen suchen (das Kind fragen, zuhören und beobachten) und entsprechende Situationen vermeiden.
- sich klar machen, dass das Kind uns dadurch etwas aus seinem früheren Leben erzählen will,
- sich immer wieder bewusst machen, dass das Kind in solchen Situationen niemals uns persönlich meint (angreift),
- dem Kind vermitteln, dass seine Botschaft ankommt, ihm mit positiven Gefühlen antworten (Gegenübertragung),
- sich seiner eigenen Funktion als Träger von Gegenübertragungen bewusst sein,
- durch positive Gegenübertragung emotionale Sicherheit bieten,
- verständnis äußern für die Gefühlslage, in der sich das Kind bei seiner schrecklichen Erfahrung befunden hat,
- versuchen, eine für das Kind einen „sichtbaren“ Zusammenhang herzustellen zwischen den Ereignissen von früher und der aktuellen Situation (Du handelst so, weil ... und es ist nicht Deine Schuld).
- Ideen und Vorstellung ernst nehmen und mit in Planung berücksichtigen,
- auch außergewöhnliche Gedanken zulassen,
- ehrgeizige Pläne unterstützen,
- ressourcenorientiert denken (Nicht alle können alles),
- Rückschläge begleiten - ermutigen.
- nach Möglichkeit kein unnötiger, zusätzlicher Stress (das Kind hat schon
- genug Stress erfahren),
- Wahrnehmungserfahrungen ermöglichen (Ergotherapie, Sport, Angebote im Künstlerisch-kreativen und musikalisch-rythmischen Bereich, Erlebnispädagogik),
- bevorzugt körperliche Aktivitäten anbieten (auspowern),
- ausgewogene Ernährung vorhalten,
- immer einen gewünschten Rückzug ermöglichen.